Uve Kirsch

BÜCHER: WUTLAND

LESEPROBE

Equipe arabique

Ein schlankes, ganz in einen schwarzen Anzug gekleidetes blondes Modell in Reitstiefeln ging hüftwackelnd voran und hielt ein Schild mit dem Namen der Reitergruppe über ihren Kopf. Die Leute applaudierten.
 
"Das muss "l'équipe d'Arabe" heißen", maulte Michael Beer, der sich vage an sein Schulfranzösisch erinnerte.
 
"'Equipe arabique' klingt aber besser", sagte seine Frau Michaela.
 
"Wahrscheinlich haben wir das dem Google-Übersetzer-Programm zu verdanken", dachte Michael Beer, der die bescheidenen Französischkenntnisse seiner Frau reflektierte. "Nur befriedigend, aber was will man mehr als Mann?", sagte er sich und grinste schäbig. Plötzlich ging das Hallenlicht aus. Eine Batterie Scheinwerfer beleuchtete eine schwarz glänzende Luxuslimousine, die unter bombastischen Klängen in die Halle einfuhr. Es dröhnten die Auftaktakkorde von "Also sprach Zarathustra". Der Moderator entstieg dem exklusiven Mercedes -G-Klasse Modell der Sonderedition 463 und begrüßte das Publikum an diesem Schauwettbewerb im Dressurreiten. "Ganz besonders bedankte ich mich bei Herrn Michael Beer von Mercedes - Beer für seine großzügige finanzielle Unterstützung, die sehr zum Gelingen dieses Events beigetragen hat." Ein Scheinwerfer richtete sich auf ihn und er nickte bescheiden mit dem Kopf. Das Publikum applaudierte. Michael Beers Gemütsverfassung machte einen großen Satz nach oben und hüpfte locker über seine eigene ‚ich trink mich mal in Stimmung'- Marke. Der Moderator rührte mächtig die Werbetrommel: "Dieses exklusive Sondermodell begeistert mit einer einmaligen Synthese aus Sportlichkeit, Dynamik und luxuriöser Ausstattung. Vom ersten Tag an ein echtes Erlebnis. Fahrspaß pur."
 
Er kündigte noch die Verlosung von Probefahrten mit diesem Prachtstück von SUV an, wurde wieder mit Applaus bedacht, stieg in den Luxusgeländewagen und kurvte ihn an den Rand des Parcours.
 
"Geile Show. Läuft doch Spitze!" Michael Beer schnappte sein Champagnerglas vom verchromten Beistelltischchen, leerte es in einem Zug und winkte mit dem leeren Glas. Seine Frau bedachte ihn mit einem strafenden Blick, aber der perlte an ihm ab. "Für zwanzig tausend Euro darf ich doch mal ein Glas Schampus schlürfen, oder Schatz?" Er hörte noch, dass seine Frau etwas Schnippisches entgegnete, aber was es war, entging ihm, denn seine Ohr-Gehirnverbindung wurde abrupt unterbrochen. Eben ritt eine bildschöne Schwarze auf einem herrlichen weißen Pferd herein.
 
"Das ist ein Andalusier!", dozierte seine Frau. Ihm war das völlig egal, denn die schwarze Schönheit hätte auch auf einem Shetland-Pony hocken können. Er war schon jetzt dankbar, dass er der Bitte seiner Frau gefolgt war und diesen blöden Event in diesem Kuhkaff gesponsert hatte. Redefin hieß dieses Nest - noch nie gehört, aber in der Dressurreiterszene war das Turnier eine feste Größe. Klar hatte seine Frau recht, Reiter waren die perfekte Zielgruppe für diese Limousinenklasse. Warum hatte er das nicht schon viel eher erkannt? Die hatten Kohle und hielten sich für elitär. Als Bonbon obendrauf gab es diese Sahneschnitte von schwarzer Perle.
 
"Ist die auch in deinem Team?"
 
"Ja. Sonst wäre sie ja wohl kaum auf einem Pferd in meiner Mannschaft!", pampte sie ihn an. Sie kannte ihren Mann und war nicht gut darauf zu sprechen, wenn er sich nach anderen Damen erkundigte. Also baute sie schon mal vor.
 
"Sie ist eine Nigerianerin. Eine Muslima. Ihr Mann und ihr Bruder sind auch hier. Wenn Du dich an sie ranmachst, schneiden sie Deine Klöten ab und nageln sie an den Türpfosten! Nur, dass Du Bescheid weißt!"
 
Seine nicht-jugendfreien Tagträume verblassten schlagartig.
 
"Und dann komm ich und haue sie in die Bratpfanne."
 
Michael Beer erschrak bei der Vorstellung. Allerdings war ihre letzte Bemerkung doch reichlich übertrieben. Er war fast davon überzeugt, dass sie bluffte. Denn wenn es so war, wie sie sagte, und ihr Mann und ihr Bruder ebenfalls in Bahlenbrede waren, dann hätte sie es ihm verschwiegen. Nicht ein Wort wäre über ihre Lippen gekommen um ihn zu warnen. Dann hätte sie ihn in das offene Messer laufen lassen. Er kannte seine Frau. Diese Chance würde sie sich nicht entgehen lassen. So musste es sein. Logisch. Sie war allein in Bahlenbrede, ohne Mann und Bruder. Jetzt freute er sich wieder nippte am Champagner und genoss sein Kopfkino.
 
In der Pause zwischen den einzelnen Vorführungen wurde sein G-Klasse SUV wieder durch den Parcours gefahren. An einem formschönen Info-Stand, den seine Frau überraschender Weise bei einer kleinen Firma aus dem Ort entdeckt hatte, konnte man sich für ein Gewinnspiel bewerben. Der Gewinn war eine Probefahrt. Er zählte vierundzwanzig Namen. Jetzt freute er sich noch mehr. Er würde sie alle zu Gewinnern erklären und jedem eine Probefahrt angedeihen lassen. Er rieb sich die Hände. "Du fährst!", sagte er zu seiner Frau, bevor er sich noch schnell eine Flasche Champagner bestellte. Wenn die Hälfte der Probefahrer kaufte, hatte er die zwanzigtausend-Euro Spende zehnfach wieder in der Kasse. Diese mysteriöse schwarze Perle hatte er auch entdeckt. Der Tag war schön und er dankte im Stillen seiner Frau zu ihrer ‚Dressurreiten für Flüchtlinge' - Idee.
Wutland
ISBN: 978-3-7418-9669-9
Veröffentlichung: 28.02.2017
 
» WUTLAND VORBESTELLEN
 
Wutland
» BILDER WUTLAND